Dienstag, 6. Januar 2015

An Pegida

Super statement auf Plakat in den Nachrichten entdeckt: "Egal wie volk ihr seid, wir sind völker."

Samstag, 17. Mai 2014

Sind eventuell existierende Geschlechterunterschiede gesellschaftlich und politisch überhaupt relevant und wenn ja, wie?

Es ist wohl im einzelnen sehr schwer auseinanderzuhalten was angeboren und was gelernt ist, insbesondere wenn es um das menschliche Geschlecht geht. Die ewige Diskussion um "Nature vs. nurture" ist auch in diesem Bereich nicht wirklich gelöst und derzeit statistisch nur sehr schwer, wenn überhaupt zu trennen. Aber selbst wenn, was dann? Nach der Lektüre über Geschlechterunterschiede in der Entwicklung des Menschen (Lohaus, 2013*), verschiedenen Diskussionen und Gedanken, denke ich sogar, dass wir das Offensichtliche nicht ignorieren können. Es gibt ein paar natürliche Unterschiede, die über die reine Existenz von Klitoris und Penis hinaus gehen. Dabei frage ich mich jedoch, ob das dann überhaupt gesellschafts-politisch oder gar menschenrechtlich relevant ist und wenn ja, wie?
Gehen wir davon aus, wissenschaftliche Befunde von mentalen, also geistigen Unterschieden bestätigen sich auch in der Zukunft. Dann sind dabei immer noch folgende Dinge zu bedenken:

Unterschiede werden maßlos übertrieben

Die meisten offensichtlich existierenden Unterschiede lassen sich allein mit Körper(teil)größen und Muskelstäre erklären. Dies betrifft z.B. durchschnittlich größere Kraft von Männern oder höhere Fingerfertigkeit von Frauen und hat Auswirkung auf mentale Fähigkeiten wie bereichsspezifische Geschicklichkeit. Wissenschaftlich diskutiert bleiben rein mentale Unterschiede. Vor allem dieser Typ von Unterschieden wird jedoch meist überhöht dargestellt. Ein Beispiel. Bei mathematischen-naturwissenschaftlichen Fähigkeiten gibt es nach meinem Wissen v.a. einen signifikanten Unterschied in den mittleren Leistungen im räumlichen Denken (gemessen mit Körper-Drehaufgaben). Witzigerweise bin ich als Frau darin gerade überdurchschnittlich gut. Solche Unterschiede zwischen Männern und Frauen liegen nämlich maximal bei so 10%. Damit bin ich also kein Spezialfall, sondern recht normal. Spezialfälle sind eher jene Menschen die eindeutig einem Stereotyp entsprechen und damit den Extrempolen der stereotypentreuen Ausprägungen liegen. Dies finde ich einen ganz entscheidenden Fakt, der sehr oft verdreht wird: Nur weil ein paar wenige Männer (oder Frauen) in gewissen Dingen besser sind, heisst das ja noch nicht dass fast alle Männer (oder Frauen) besser sind! Das heisst also die Mehrheit ist mal so und mal so, ob Frau oder Mann!
Anders gesagt: die Unterschiede zwischen Männern (bzw. zwischen Frauen) sind größer als der mittlere Unterschied zwischen Männern und Frauen. Das ist wie zwei statistische Geschlechts-Gauss-glocken, deren mittlere Werte wesentlich näher aneinander liegen, als deren einzelne Extremwerte. Für die meisten Eigenschaften liegen die Kurven sogar übereinander und für ein paar überdecken sie sich eben nur zu 90%, statt zu 100%.
Für die Einwände z.B. wacher Hobby-Psychologen mit kleinen Kindern bleibt zusätzlich z.B. folgendes zu bedenken: es gibt mehrere fundierte Studien, die zeigen, dass Mädchen in Matheaufgaben schlechter abschneiden, wenn Geschlechtersteoreotype auch nur aktiviert werden (gar nicht zu reden davon, wenn gar gesagt wird, dass Mädchen in Mathe schlechter sind). Wird dieser Einfluss ausgelassen, sind sie nicht schlechter als Jungen (ausser eben in den Rotationsaufgaben).
Viele (mentale) Unterschiede lassen sich nur auf ganz konkrete einzelne Bereiche und zudem nur relevant für einen geringen Prozentsatz der Bevölkerung nachweisen. Die anschliessende Frage ist dann, wie entscheidend das tatsächlich im Alltag für die Bewältigung von alltäglichen Aufgaben und dem Leben von Männern und Frauen im Allgemeinen ist!

Interpretieren wir die Konsequenzen der Unterschiede objektiv?

Ich wünsche mir, dass wir extrem vorsichtig bleiben, was die Interpretationen der Konsequenzen mentaler Unterschiede angeht. Erfolgen sie doch zu oft sehr Stereotyp-passend. Und ich denke auch, dass sich die meiste Kritik an diesen Interpretationen orientiert, nicht daran ob es Unterschiede gibt oder nicht. (Letzteres können wir ja nur wissenschaftlich beantworten.) So wurde z.B. das Argument, dass Frauen und Männer anders denken früher als politisches Argument genutzt um Frauen und Männer den Zugang zu Arbeits-Sphären zu verweigern, die angeblich nicht ihrem Geschlecht entsprechen. Aber selbst wenn gewisse Unterschiede existieren, macht das meines Erachtens keines der Geschlechter notwendigerweise besser für irgendwelche komplexen Aufgaben oder Jobs, z.B. für Führung oder auch für Kindererziehung, weil diese jeweils sehr vielfältige und sich überlappende  Fähigkeiten benötigt werden (z.B. Empathie als Gruppenleiter und als Eltern oder Durchsetzungsfähigkeit als Führungskraft und Daheim bei den Kindern).
Ich finde ausserdem, dass eventuelle Unterschiede zwischen Frauen und Männern eigentlich gerade danach verlangen, mehr geschlechts-vermischte Aufgabenverteilungen einzuführen. Ein Beispiel.: Politisch und menschenrechtlich wäre es nicht zu vertreten, wenn Interessen von angeblich oder eventuell anders denkenden Frauen und Männern nicht prozentual zum Bevölkerungsanteil im Parlament vertreten sind. Wenn Frauen und Männer wirklich anders ticken, macht das doch nur noch mehr offensichtlich notwendig, dass beide Geschlechter ihre eigenen Interessen in der Gesetzgebung vertreten können. Bei ethnischen Minoritäten oder von ethnisch vielfältigen Staaten wurde das ja auch schon eingesehen.

Wird der größte Unterschied angemessen betrachtet?

Der offensichtlichste Unterschied, also das (die meisten) Frauen Kinder gebähren können und Männer nicht (dank an Antje Schrupp für diese Gedanken), wird oft in Diskussionen weggelassen. Es geht immer darum ob Frauen anders denken oder nicht. Das mag ja sein. Aber damit wird auch dem ganz deutlichen Interessenskonflikt zwischen den Geschlechtern ausgewichen, der in deren Biologie liegt und gar nichts mit mentalen Unterschieden zu tun hat: Der Konflikt zwischen Entscheidungsfreiheit und Verantwortung. Frauen müssen die Kinder austragen, aber das gibt ihnen eigentlich theoretisch auch die Macht allein über alles vorgeburtliche zu entscheiden. Männer haben die Freiheit sich den direkten (körperlichen) Konsequenzen zu entziehen, dafür sind sie praktisch absolut auf die Frauen angewiesen, was die Entscheidung über die Existenz bezüglich ihres eigenen Nachwuchs angeht. Im Idealfall besteht hier natürlich Kommunikation und Vertrauen. Aber in der Praxis... Dieser Konflikt besteht eindeutig bis zur Geburt, aber indirekt auch danach, da Frauen immer noch zur Mehrheit die Fürsorgearbeit leisten (je älter die Kinder werden, umso balancierter wird es heutzutage zum Glück). Dieser Interessenskonflikt sollte in einer Gesellschaft fair gelöst werden und dafür kann ich nur wieder auf die zweite Hälfte vom vorangehenden Abschnitt verweisen: Frauen und Männer sollten gleichberechtigt ihre eigenen Interessen vertreten können. In der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft oder im Privaten. Sie haben biologisch, denn fortpflanzungstechnisch, offensichtlich unterschiedliche Ausgangspunkte.

Welche Rolle spielen Identitäten?

In der heutigen Psychologie ist ein sehr wichtiger Ansatz jener der Identität. Die Identitäten die wir uns schaffen, bestimmt sehr stark unser Sein, d.h. unser Erleben und Verhalten. Unsere Identitäten betreffen unser Geschlecht, unsere Kultur, unsere Profession, unsere Hobies und so weiter und so fort.
Warum und weshalb wir uns mit etwas identifizieren, ist sehr komplex (und eine weitere "nature vs. nurture" Frage?).
Auf der anderen Seite steht unsere praktisch ausgelebte Geschlechtlichkeit, sprich sexuelle Orientierung. Sie ist nicht nur von unserem biologischen Geschlecht bestimmt sondern auch von unserer geschlechtlichen Identität (auch als soziales Geschlecht bezeichnet). Von daher gibt es z.B. Menschen die im Gehirn asexuell funktionieren, obwohl sie ein bestimmtes biologisches Geschlecht besitzen. Es gibt Homo- und Heterosexuelle Menschen. Oder es gibt Menschen, die sich mit beiden Geschlechtern identifizieren. Ein weiterer Aspekt, wäre die Auswirkung gesellschaftlicher Normen auf Formen unseres sexuellen Verhaltens. Dies will ich hier aber nicht weiter betrachten.
Die Inhalte der einzelnen Identifikationen sind an Stereotypen angelehnt. Sie haben also einen sozialen Aspekt (sind nicht nur unser persönliches Produkt). Sie sind kulturell sowie historisch sehr variabel, was deren Beliebigkeit von Geschlechterstereotypen offen legt. Weiterhin erfüllt ein einzelner Mensch meist nur ein Teil der Stereotype, was wir dann als Individualität bezeichnen würden. Dem einzelnen Menschen ist mehr oder weniger frei gestellt, welche Teile er oder sie in seine oder ihre Identitäten einbezieht. Männlichkeit und Weiblichkeit sind damit nur zwei von mehreren möglichen Geschlechtsausprägungen. Und die gelebte Form hat biologische, kognitive und soziale Hintergründe.
Das heisst, es existieren einige Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wir schaffen dann weitere und suchen uns mehr oder weniger das aus dem Pool heraus, was uns gefällt.

Fazit

Aber der Einfachheit halber zunächst zurück zur dichotonomen Betrachtung. Das Fazit des oben erwähnten Buches, fasst den derzeitigen Forschungsstand recht gut zusammen:
"Wenngleich sich Frauen und Männer, Mädchen und Jungen in vielerlei Hinsicht ähnlich sind, gibt es ganz offensichtlich auch Unterschiede in ihrem Verhalten, die erklärungsbedürftig sind. Die einzelnen in diesem Kapitel vorgestellten theoretischen Erklärungsansätze liefern Hinweise auf den Einfluss biologischer Grundlagen, der sozialen Umwelt und kognitiver Strukturen, die für sich genommen jeweils nur einen begrenzten Erklärungswert besitzen. Höchstwahrscheinlich kann man jedoch davon ausgehen, dass sie in ihrem Zusammenspiel einen großen Teil der Geschlechtsunterschiede erklären können."*

Aber ob es nun Unterschiede gibt oder nicht, politisch und gesellschaftlich gesehen verlangen beide Fälle eigentlich nach einer äquivalenteren Repräsentation von Frauen UND Männern in allen gesellschaftlichen Sphären, den öffentlichen und den privaten, als wir es im Moment sehen. Ich möchte nochmal betonen, dass dies nicht heisst, eine 50-50 Lösung für Karriere und Familie sei ein Muss für jeden Einzelnen. Stattdessen sollte für alle Geschlechter ein Pool verschiedener Optionen offen stehen, aus denen das Individuum abhängig von seinen Wünschen und Lebensbedingungen auswählen kann. Erwartungsgemäss ergäbe dies in der Gesellschaft jedoch eine differenziertere Verteilung der Geschlechter auf die verschiedenen Arbeitsteilungsbereiche als es der Status-Quo aufweist.

Wenn Frauen und Männer im Durchschnitt (bis auf ihr biologisches Geschlecht) absolut gleich wären, dann wäre eine (stärkere) Zuordnung der Geschlechts zu einem Aufgabenbereich komplett willkürlich und damit offensichtliche Diskriminierung beider Geschlechter. Wie rechtfertigen wir dann z.B. den Erwartungsdruck, der Frauen zum Grossteil in die private und Männern in die öffentliche Sphäre sendet?
Wenn Frauen und Männer sich nun aber in auch nur einer einzigen Eigenschaft unterscheiden, verlangt dies noch offensichtlicher nach gleichen Möglichkeiten zur Vertretung der jeweils eigenen Standpunkte und Interessen in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Andernfalls erheben wir doch ein Geschlecht (welches auch immer das sein mag) über das andere, da ersteres über letzteres in den genannten Bereichen entscheiden darf, ohne wirklich beider Standpunkte einfliessen zu lassen. Wie wollen wir so eine einseitige Übergehung rechtfertigen?

Und beziehen wir zusätzlich die ansatzweise dargelegte wahre Vielfältigkeit der Geschlechter ein, wird es noch schwieriger eine dichotonome Arbeitsaufteilung zu rechtfertigen.

Insofern können auch Feminist_innen, Männerrechtler, u.a. selbstbewusst mit nachgewiesenen Unterschieden umgehen ohne Einbussen in der Kritik an den Interpretationen dieser Unterschiede oder in ihrem Forderungen nach Recht auf Gleichberechtigung einstecken zu müssen.

*Lohaus, A., Vierhaus, M. (2013). Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters für Bachelor. 2. Auflage. Heidelberg: Springer.

Inspiration Hannah Arendt

Nach der Lektüre einer Biographie über Hannah Arendt möchte ich hier mein Lieblingszitat einstellen.

aus "Vom Leben des Geistes: das Denken, das Wollen":

"Wer jenen stummen Verkehr nicht kennt (in welchem man prüft, was man sagt und was man tut), der wird nichts dabei finden, sich selbst zu wiedersprechen, und das heißt, er ist weder fähig noch gewillt, für seine Rede oder sein Handeln Rechenschaft abzulegen; es macht ihm auch nichts aus, jedes beliebige Verbrechen zu begehen, weil er dafauf zählen kann, dass er es im nächsten Augenblick vergessen hat [...]. Ein Leben ohne Denken ist durchaus möglich; es entwickelt dann sein eigenes Wesen nicht - es ist nicht nur sinnlos, es ist gar nicht recht lebendig. Menschen die nicht denken, sind wie Schlafwandler." 

Freitag, 11. April 2014

Gibt es bedingungslose Liebe wirklich?

In den letzten Wochen habe ich mir viel Gedanken über "bedingungslose Liebe" gemacht, die in vielen Internetforen oder Selbsthilfebüchern totschlagargumentöse Runden machen (nach der Logik, dass Menschen, die nicht an bedingungslose Liebe glauben, nicht wissen was Liebe ist.).
Und eine Freundin brachte mich darauf, als sie mir einen Videotip zu Twin-Flame-Relationships (so in etwa Zwillingsseelen-Beziehung) gegeben hat. Kurzgesagt, es geht um die Überwindung des allerkleinsten Egoismus, um zu wahrer Liebe zu sich selbst und anderen zu gelangen. Ich halte manche Anregungen des etwas esoterischen Videos für spannend und nützlich. Z.B. Die Nützlichkeit einer gewissen Gelassenheit zum Thema Liebe: "It [could be] accepted that what is best and destined for the final harmonizing will transpire in its own time."

Trotzdem empfinde ich immer wieder einen immensen Wiederspruch, wenn von bedingungsloser Liebe als Ideal gesprochen wird. Ich frage mich ob der Mensch überhaupt irgendetwas bedingungslos tun kann, denn wir treffen ja Entscheidungen immer aus irgendeinem Grund, haben eine Motivation.
Naja, ich habe einfach so mein Problem mit dem Begriff: Bedingungslose Liebe. Das klingt für mich so nach Idealisierung. Ich denke nicht, dass die Liebe objektiv gesehen am Ende wirklich bedingungslos ist. Ich möchte versuchen, das am Beispiel der partnerschaftlichen Beziehung zu erläutern, auch wenn ich im allgemeinen nicht nur romantische sondern auch jegliche andere Liebe (zu Freunden, zu Familie, ...) anspreche.
Partnerschaftliche Liebe ist mindestens an eine Bedingung geknüpft: Vertrauen (was auch immer dieses beinhaltet) ist beidseitig und damit relevant.
Es ergeben sich nun aus meiner Sicht folgende Widersprüche, wenn wir an Bedingungslosigkeit glauben:
1) Vertrauen bedeutet einfach nur Vorschuss von Zustimmung. Es gibt jedoch keine Garantie, dass der andere Vertrauen nicht missbraucht, sonst wäre im Allgemeinen kein Vertrauen notwendig, eine (fiktive gedachte) Garantie würde das Vertrauen obsolet machen. Damit ist Vertrauen ungleich einem Blindsein gegen das Ausnutzen von Vertrauen.
2) Das Vertrauen schliesst ein, dass gegenseitig kommuniziert wird, welche Bedürfnisse die Partner haben. Diese Bedürfnisse müssen empfunden werden und es muss eine Selbstwirksamkeit (das heisst dass jemand das Gefühl hat, mit seinem/ihrem Verhalten auch etwas erreichen zu können) für diese Äusserung der Bedürfnisse bestehen, sonst bräuchte mensch sie ja nicht äussern. Das klingt aber schon wieder nach Bedingung: Der andere muss meine Bedürfnisse ernst nehmen.
3) Daraus ergeben sich ab und zu (oder im Extremfall durch Betrug oder Misshandlung) ein Konflikt zwischen Interessen des Partners und von mir selbst, oder auch zwischen der Liebe zum Partner und der Selbstliebe. Denn könnte ich den anderen lieben oder vertrauen, wenn ich mich nicht selbst liebe? Ich sollte also auf mich selbst achten, nicht erwarten, das der andere es tut. Das heisst, ich sollte auch auf die Erfüllung meiner Bedürfnisse achten. Damit wiederum beeinflusse ich den Partner. Die Beeinflussung des anderen schliesst auch Erwartungen in den anderen ein. Es geht nicht ohne.
4) Weitergesponnen schliesst das Vertrauen ein, dass falls die Partner zu konträre Interessen haben, eine (physische) Trennung notwendig wird.

Die Gedanken daran, einen geliebten Menschen zu verlieren, ob in Trennung oder gar Tod, schmerzt uns, weil wir die Gegenwart dieses vertrauten Menschen wünschen und brauchen. Die Theorie der bedingungslosen Liebe behauptet, dass wir, wenn wir bedingungslos lieben, die Abwesenheit des anderen einfach so annehmen könnten. Was meiner Meinung nach gerade im Fall des Todes besonders zynisch klingt. Denn ein Mensch muss die Trennung von einem geliebten Menschen erst mal verarbeiten oder betrauern, bevor er sie annehmen kann und die wichtigste Zutat dieses Prozesses ist Zeit nicht Bedingungslosigkeit. Die bedingungslose Liebestheorie diskreditiert damit die Notwendigkeit der Trauer.

Wenn wir das konsequent weiterdenken, bedeutet das, dass wir gegenüber menschlichen Beziehungen bedürfnislos (haltungslos, gefühllos) werden muessten, um bedingungslose Liebe zu empfinden. Das ist aber ein Wiederspruch, denn wenn wir so sozial bedürfnislos wären, bräuchten wir auch die Liebe nicht mehr.

Es löst sich meiner Meihnung nach nicht auf. Es gibt keine bedingungslose Liebe, genausowenig wie es egoistische Liebe gibt, denn: Liebe entspring aus unserem Bedürfnis nach ihr !

Ich unterstelle auch, die Motivation nach einer bedingungslosen Zwillingsseelen-Beziehung zu streben ist weniger der Wunsch bedingungslose Liebe zu geben, sondern eher danach, selbst bedingungslos geliebt zu werden. Das ist schon wieder egoistisch motiviert. Aber ohne Motivation gibt es auch keine Entwicklung. Motivation bringt uns dazu Dinge auszuprobieren, zu lernen, auf andere zuzugehen. Motivation ist Leben.
Das ist ein bissel wie mit dem Vorurteil: es ist menschlich, dass wir es haben, solange wir es reflektieren und für folgende Handlungen überdenken. Und es ist auch ok (für andere), wenn wir egoistisch motiviert sind, wenn wir daraus was gutes machen. Und sei das Gute, dass wir glückliche, selbständige und damit andere anregende Persönlichkeiten sind! Aber das ist vielleicht nur eine Frage der Bewertung?

Also zusammengefast: Die Liebe ist motiviert durch unser Bedürfnis geliebt zu werden.
Das macht die Liebe nicht weniger besonders oder schön. Es macht sie nur menschlich und realistisch.

Ganz ehrlich muss ich sagen, ich habe den Eindruck, dass für viele Menschen, mehrheitlich darunter Mädchen und Frauen, das Ideal - um nicht zu sagen die Ideologie - der bedingungslosen Liebe eine Falle der Selbstaufgabe ist, die sie gegen die Entfaltung ihrer Persönlichkeit immunisiert. Das macht mich traurig und deshalb wehre ich mich gegen diese Ideologie. Lasst uns doch mutig sein, zu sagen was wir wollen und erwarten. Wenn wir das alle tun, können wir gemeinsam mit unseren geliebten Menschen ein gemeinschaftliches Optimum aushandeln, statt anderen Privilegien zuzuschaufeln.

Dienstag, 19. November 2013

Mein Senf zu Prostitution und ihre Heimlichkeit

Seit einigen Wochen wird in Deutschland über Prostitution diskutiert. Jetzt gebe auch ich meinen Senf dazu. Ich versuche das mal auf gedankliche Art, d.h. ohne Statistiken, Befragungen, Studien, welche sich jeweils widersprechen und mir von aussen nicht sagen, ob sie veraltet, verfälscht, wahr oder wissenschaftlich sind.

Zunächst muss ich zugeben, dass ich zu Beginn ganz eifrig den Emma-Appell gegen Prostitution unterzeichnet habe: Motiviert war ich dazu von dem Ausspruch gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution in Deutschland. Prostitution ist seit 2002 in Deutschland legal, was laut Emma, Sozialarbeiter_innen und Polizei die Verfolgung von Menschenhandel verhindert. Nach Beobachtung der Diskussion und Lektüre einiger Artikel, entschied ich aber, dass für und wieder wiedermal nicht so einfach sind. So liess der öffentliche Widerspruch von vielen Seiten nicht lange auf sich warten, welchen ich stückweise in der Bloggosphäre (z.B. bei kleinerdrei), im Fernsehen (z.B. bei Jauch) und in einem Gegenappell FÜR Prostitution verfolgt habe. In manchen Artikeln wird über Begriffe wie moderne Sklaverei diskutiert, ob wir Menschenhandel so bezeichnen dürfen oder nicht. Das brachte mich nicht wirklich weiter. Eine Ausnahme ist der sehr lesenswerte, da differenzierte Beitrag von Antje Schrupp: Fünf Thesen zu Prostituion.

Nach der Verfolgung der Diskussion und vielen Gedanken bin ich nun überzeugt, dass der initialen Aktion zu Recht vorgeworfen wird, dass sie sehr populistisch argumentiert und vor allem, dass Prostitution an sich mit Menschenhandel in einen Topf geworfen wird. Warum will Alice Schwarzer Prostitution komplett verbieten, wenn es ihr nach eigener Aussage (bzw. Emma-Artikeln) eigentlich um Menschenhandel/Zwangsprostitution geht? Und haben wir nicht durch Alkohol- und Drogenverbote gelernt, dass diese nichts abschaffen.

Zwei Hauptargumente der Prostitutionsbefürworter, die mir sehr logisch erscheinen, sind: 

  • Der Zwang in Zwangsprostitution (und Menschenhandel) entsteht nicht aus der Prostitution und somit ist ein Verbot letzterer unsinnig (in dem Sinne, dass auch kein Verbot der Ehe zur Verhinderung von Zwangsehe in Betracht gezogen werden würde). Somit würde z.B. auch Armutsprostitution sinnvoller durch Bekämpfung von Armut angegangen werden, statt durch ein Prostitutionsverbot.
  • Die Illegalisierung der Freier (wie im vom Alice Schwarzer propagierten Schwedischen Modell) illegalisiert letztlich auch die Prostitution und damit werden die Sexarbeiter_innen in dunkle Milieus verdrängt und sind dort ausgeliefert.
Da mich diese Argumente überzeugten, dass wir Menschenhandel & Zwangsprostitution nicht durch ein Prostitutionsverbot bekämpfen können, habe ich im Sinne >Gegen Menschenhandel-aber-für-die-Rechte-von-Sexarbeiter_innen< ebenso den Appell FÜR Prostitution unterschrieben. 

Andererseits, können die Moralvorstellungen der Menschen nicht einfach ignoriert werden. Aber natürlich sollten sie konfrontiert werden! Denn ich denke, dass in der Gesellschaft schon eine moralische Diskussion über Prostitution stattfinden müsste; von Mensch zu Mensch; was Prostitution für uns bedeutet und warum es sie gibt!

Ich denke, ein Verbot der Prostitution wäre ein Ausdruck der Ohnmacht davor wie groß die Nachfrage nach Prostitution ist. Und es wäre wohl nur eine Ersatzhandlung für die Notwendigkeit ehrlich mit dem Thema umzugehen. Also z.B., dass wir nicht alle die gleichen oder gar richtigere Moralvorstellungen haben, dies aber versucht wird zu vorzugaukeln. Dass wir selbst für die moralische Übereinstimmung in einer Partnerschaft verantwortlich sind. Dass z.B. Menschen, die in einer Beziehung leben und trotzdem heimlich eine Sexarbeiter_in besuchen, die gesundheitliche Verantwortung für ihren Partner verletzen. Dass jene Menschen, meist Männer, die eine Sexarbeiter_in aufsuchen auch dazu stehen könnten.
...
Und komisch, ich habe in meinem privatem Umkreis noch nie einen Mann (aber auch sehr wenige Frauen) überhaupt das Wort Bordell oder Prostituierte in den Mund nehmen hören, selbst wenn ich das Thema anspreche! Mensch müsste annehmen die existieren gar nicht. Hier wird sehr oft einfach nicht die Wahrheit ausgesprochen und sich stumm gehalten um 
im Nichts-sagen moralische Korrektheit vorzugaukeln!

Und nun bin ich beim Kernanliegen meines Senfes. Mir fehlt in der gesamten Diskussion die Seite der potentiellen und realen Kunden von Prostitution, welche wohl nahezu ausnahmslos Männer sind. Warum gibt es keine Forderungen jener Dienstleistungsnutzer nach weiterer Legalisierung der Dienstleistung Prostitution? Das wäre doch in deren Interesse. Aber ein Verstecken der eigenen hinter einer "korrekten" Moralvorstellung, bietet auch die Chance jeweils Nutzen aus den einzelnen Haltungen zu ziehen (z.B. als treuer Partner sowie heimlicher Bordellbesucher).


Den Gegnern der Prostitution wird (zu Recht) vorgeworfen, dass sie Sexarbeiter_innen als Opfer darstellen und ihnen dadurch schaden. Aber warum wird nicht auch den Kunden der Prostitution vorgeworfen, dass ihre Doppelmoral - erkennbar durch die Verheimlichung ihres Bedürfnisses - die Prostitution an den Rand der Gesellschaft schiebt? Also warum werfen wir das den Freiern nicht genauso vor, wie Frau Schwarzer ihre populistische Argumentation?

Denn am Ende müssen sich in der Öffentlichkeit nur jene Menschen, rechtfertigen, die eine sexuelle Dienstleistung anbieten, anstatt solche Menschen, welche sexuelle Dienstleistungen verlangen. In dieser Schieflage drückt sich aus meiner Sicht ein enormer Wiederspruch aus, der ganz tief in unserer Gesellschaft sitzt. 
Diese Schieflage wiederum wird durch ein Verbot verdeckt aber nicht gelöst.

Letztlich denke ich auch, dass ich persönlich die Nachfrage (!) nach Prostitution abstoßend finden darf, weil sie mir als Ausdruck von und Ventil für Sexismus und Frauenverachtung erscheint und es mir schwer fällt Freier ernst zu nehmen, solange sie sich hinter einer Doppelmoral verstecken. ... Aber trotzdem bin ich gegen die Diffamierung, Illegalisierung und Ausgrenzung oder Sexarbeiter_innen selbst, egal aus welchem Grund sie das tun, und ob freiwillig oder aus Zwang. Und ich denke, auch Sexismus werden wir wohl nicht einfach durch ein Prostitutionsverbot abschaffen.

Doch wie genau nun dieser ganze Konflikt politisch zu bewerkstelligen ist, und gleichzeitig Werkzeuge zur Bekämpfung von Menschenhandel sichergestellt werden können, weiss ja am Ende keiner so wirklich. Denn wir hatten wir noch kein bekanntes einwandfrei funktionierendes System, das diese Anforderungen erfüllt. Also bleibt uns wohl nur weiter zu diskutieren und dann nach dem "trial-and-error"-Prinzip zu handeln. In jedem Fall aber, und da sind sich wohl alle einig, ist eine Überarbeitung des derzeitigen Gesetzes notwendig. Vielleicht versuchen wir, bevor wir erneut die Verbotskeule schwingen, erst mal konkret die aktuellen Probleme anzugehen...



späterer Nachtrag: Eines müssen wir der viel kritisierten Alice Schwarzer lassen, dass endlich über dieses Thema diskutiert wurde und auch noch wird, haben wir ihr zu verdanken.

Samstag, 17. August 2013

Wunschtraum

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der Frieden und Gleichberechtigung nicht auf Verboten oder einen Anspruch auf Perfektion beruhen, sondern auf der Möglichkeit aller Menschen ihre natürlichen Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen, ihre Wünsche und Meinungen zu äussern und die eventuell daraus entstehenden Konflikte oder gegenseitigen Verletzungen auf der einen Seite ohne Hass auszusprechen bzw. auf der anderen Seite anzunehmen, um dann in Solidarität und mit einer größeren Sensibilität füreinander weiter zu leben.

Donnerstag, 25. Juli 2013

Blurred lines?

Zu den Diskussionen um "Blurred lines" von Robin Thicke:


Der Song an sich hat einen super sound. Als ich ihn das erste mal gehört habe, fand ich ihn toll und hab mich erkundigt. Ich bin jemand, der immer erst im zweiten Schritt auf den Text hört. Als ich das Video (interessanterweise gibt es eine Nakt- und eine Unterwäscheversionen der Frauen im video) und den Text dazu genau verfolgt habe, war ich schon verstört. So ein cooler sound, und dann vom Textinhalt vermiesst. Welche Frau will schon ein "good girl" sein??? Und der Satz "I know you want it" sagts eigentlich schon... 

Also ich kann die auf die Tanzfläche stürmenen Menschen total verstehen. Dennoch sollte es uns nicht davon abhalten den Inhalt zu reflektieren und kritisieren. 

Hier ein tiefer gehender Artikel dazu, der auch erklärt warum es sich eher nicht um eine gelungene Ironie handelt. Im Gegensatz zu dieser Parodie von Mod Carousel, welche wiederum hier kritisch betrachtet wird.