Freitag, 11. April 2014

Gibt es bedingungslose Liebe wirklich?

In den letzten Wochen habe ich mir viel Gedanken über "bedingungslose Liebe" gemacht, die in vielen Internetforen oder Selbsthilfebüchern totschlagargumentöse Runden machen (nach der Logik, dass Menschen, die nicht an bedingungslose Liebe glauben, nicht wissen was Liebe ist.).
Und eine Freundin brachte mich darauf, als sie mir einen Videotip zu Twin-Flame-Relationships (so in etwa Zwillingsseelen-Beziehung) gegeben hat. Kurzgesagt, es geht um die Überwindung des allerkleinsten Egoismus, um zu wahrer Liebe zu sich selbst und anderen zu gelangen. Ich halte manche Anregungen des etwas esoterischen Videos für spannend und nützlich. Z.B. Die Nützlichkeit einer gewissen Gelassenheit zum Thema Liebe: "It [could be] accepted that what is best and destined for the final harmonizing will transpire in its own time."

Trotzdem empfinde ich immer wieder einen immensen Wiederspruch, wenn von bedingungsloser Liebe als Ideal gesprochen wird. Ich frage mich ob der Mensch überhaupt irgendetwas bedingungslos tun kann, denn wir treffen ja Entscheidungen immer aus irgendeinem Grund, haben eine Motivation.
Naja, ich habe einfach so mein Problem mit dem Begriff: Bedingungslose Liebe. Das klingt für mich so nach Idealisierung. Ich denke nicht, dass die Liebe objektiv gesehen am Ende wirklich bedingungslos ist. Ich möchte versuchen, das am Beispiel der partnerschaftlichen Beziehung zu erläutern, auch wenn ich im allgemeinen nicht nur romantische sondern auch jegliche andere Liebe (zu Freunden, zu Familie, ...) anspreche.
Partnerschaftliche Liebe ist mindestens an eine Bedingung geknüpft: Vertrauen (was auch immer dieses beinhaltet) ist beidseitig und damit relevant.
Es ergeben sich nun aus meiner Sicht folgende Widersprüche, wenn wir an Bedingungslosigkeit glauben:
1) Vertrauen bedeutet einfach nur Vorschuss von Zustimmung. Es gibt jedoch keine Garantie, dass der andere Vertrauen nicht missbraucht, sonst wäre im Allgemeinen kein Vertrauen notwendig, eine (fiktive gedachte) Garantie würde das Vertrauen obsolet machen. Damit ist Vertrauen ungleich einem Blindsein gegen das Ausnutzen von Vertrauen.
2) Das Vertrauen schliesst ein, dass gegenseitig kommuniziert wird, welche Bedürfnisse die Partner haben. Diese Bedürfnisse müssen empfunden werden und es muss eine Selbstwirksamkeit (das heisst dass jemand das Gefühl hat, mit seinem/ihrem Verhalten auch etwas erreichen zu können) für diese Äusserung der Bedürfnisse bestehen, sonst bräuchte mensch sie ja nicht äussern. Das klingt aber schon wieder nach Bedingung: Der andere muss meine Bedürfnisse ernst nehmen.
3) Daraus ergeben sich ab und zu (oder im Extremfall durch Betrug oder Misshandlung) ein Konflikt zwischen Interessen des Partners und von mir selbst, oder auch zwischen der Liebe zum Partner und der Selbstliebe. Denn könnte ich den anderen lieben oder vertrauen, wenn ich mich nicht selbst liebe? Ich sollte also auf mich selbst achten, nicht erwarten, das der andere es tut. Das heisst, ich sollte auch auf die Erfüllung meiner Bedürfnisse achten. Damit wiederum beeinflusse ich den Partner. Die Beeinflussung des anderen schliesst auch Erwartungen in den anderen ein. Es geht nicht ohne.
4) Weitergesponnen schliesst das Vertrauen ein, dass falls die Partner zu konträre Interessen haben, eine (physische) Trennung notwendig wird.

Die Gedanken daran, einen geliebten Menschen zu verlieren, ob in Trennung oder gar Tod, schmerzt uns, weil wir die Gegenwart dieses vertrauten Menschen wünschen und brauchen. Die Theorie der bedingungslosen Liebe behauptet, dass wir, wenn wir bedingungslos lieben, die Abwesenheit des anderen einfach so annehmen könnten. Was meiner Meinung nach gerade im Fall des Todes besonders zynisch klingt. Denn ein Mensch muss die Trennung von einem geliebten Menschen erst mal verarbeiten oder betrauern, bevor er sie annehmen kann und die wichtigste Zutat dieses Prozesses ist Zeit nicht Bedingungslosigkeit. Die bedingungslose Liebestheorie diskreditiert damit die Notwendigkeit der Trauer.

Wenn wir das konsequent weiterdenken, bedeutet das, dass wir gegenüber menschlichen Beziehungen bedürfnislos (haltungslos, gefühllos) werden muessten, um bedingungslose Liebe zu empfinden. Das ist aber ein Wiederspruch, denn wenn wir so sozial bedürfnislos wären, bräuchten wir auch die Liebe nicht mehr.

Es löst sich meiner Meihnung nach nicht auf. Es gibt keine bedingungslose Liebe, genausowenig wie es egoistische Liebe gibt, denn: Liebe entspring aus unserem Bedürfnis nach ihr !

Ich unterstelle auch, die Motivation nach einer bedingungslosen Zwillingsseelen-Beziehung zu streben ist weniger der Wunsch bedingungslose Liebe zu geben, sondern eher danach, selbst bedingungslos geliebt zu werden. Das ist schon wieder egoistisch motiviert. Aber ohne Motivation gibt es auch keine Entwicklung. Motivation bringt uns dazu Dinge auszuprobieren, zu lernen, auf andere zuzugehen. Motivation ist Leben.
Das ist ein bissel wie mit dem Vorurteil: es ist menschlich, dass wir es haben, solange wir es reflektieren und für folgende Handlungen überdenken. Und es ist auch ok (für andere), wenn wir egoistisch motiviert sind, wenn wir daraus was gutes machen. Und sei das Gute, dass wir glückliche, selbständige und damit andere anregende Persönlichkeiten sind! Aber das ist vielleicht nur eine Frage der Bewertung?

Also zusammengefast: Die Liebe ist motiviert durch unser Bedürfnis geliebt zu werden.
Das macht die Liebe nicht weniger besonders oder schön. Es macht sie nur menschlich und realistisch.

Ganz ehrlich muss ich sagen, ich habe den Eindruck, dass für viele Menschen, mehrheitlich darunter Mädchen und Frauen, das Ideal - um nicht zu sagen die Ideologie - der bedingungslosen Liebe eine Falle der Selbstaufgabe ist, die sie gegen die Entfaltung ihrer Persönlichkeit immunisiert. Das macht mich traurig und deshalb wehre ich mich gegen diese Ideologie. Lasst uns doch mutig sein, zu sagen was wir wollen und erwarten. Wenn wir das alle tun, können wir gemeinsam mit unseren geliebten Menschen ein gemeinschaftliches Optimum aushandeln, statt anderen Privilegien zuzuschaufeln.

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